Share Your Darlings ist ein Feedbackformat von Tanz Graz, das seit 2013 besteht und nach einem Hiatus von mehreren Jahren seit 2023 wieder zweimal jährlich stattfindet. Ein intensives Wochenende lang treffen sich die Teilnehmer*innen, um ihre "Darlings" zu teilen: Ideen, Stückfragmente oder Rohstoffe, die noch unfertig, instabil und zerbrechlich sind. Um so wichtiger ist es, im Feedbackformat einen Safe Space zu bieten, in dem die Darlings gedeihen können. Neu hinzugekommen ist seit 2023 die Kooperation mit NAGIB, einem Zusammenschluss von Tanz- und Performancekünstler*innen aus der nahegelegenen slowenischen Stadt Maribor. Von nun an sollen die Feedbackwochenenden abwechselnd in Graz und Maribor stattfinden.
Die Choreographic Platform Austria hat mit ein paar der Protagonist*innen gesprochen: Monika Klengel und Christina Lederhaas waren (mit anderen wie etwa Veza Fernandez, Marta Navaridas und Alina Stockinger) Mitbegründer*innen des Formats. Margret Hausegger ist Geschäftsführerin von Tanz Graz. Lilli Angermeier und Nimrod Poles sind Künstler*innen, die an einem oder mehreren Share Your Darlings Wochenenden teilgenommen haben.
Die ausführlichen Interviews lassen sich oben über unseren Audioplayer anhören. Hier findet sich eine thematisch geordnete Textauswahl.
Wann und warum wurde das Format Share Your Darlings geschaffen?
2013 gab es zum ersten Mal Share your Darlings in Graz. Es entstand im Austausch zwischen mehreren Performance-Künstlerinnen, die damals in Graz tätig waren. Wir haben vermisst, uns regelmäßig künstlerisch austauschen zu können. Jeder war mit seinen eigenen Sachen beschäftigt. Wir hatten alle auch ein großes Interesse daran, uns während des Prozesses, während der Erarbeitung unserer Stücke, vermehrt auszutauschen.
Wir haben Share Your Darlings aufgesetzt, um den Tanz in der Steiermark auf ein besseres Fundament zu stellen. Viele sind damals Einzelkämpfer*innen gewesen, die in ihren Studios alleine vor sich hinarbeiten. Aus dem Bedürfnis heraus, dass wir uns auch im Probenraum besser kennenlernen, haben wir das Format erfunden.
Das Konzept ist aus der Szene heraus entstanden, von Künstlerinnen und Künstlern, die sich zusammengetan haben. Nun haben wir Jahre später gedacht, es wieder aufzugreifen, weil es ein sehr erfolgreiches und spannendes Projekt war.
Was ist das Konzept von Share Your Darlings?
Es gibt Regeln, die das Format ein bisschen unterscheiden von anderen Feedbackformaten. Wir haben von Anfang an gesagt, wir zeigen uns Rohstoffe, wir zeigen uns die Darlings, die in den Schubladen liegen. Dinge, bei denen man das Gefühl hat, das könnte was taugen, das ist ein interessanter Gedanke, eine interessante Bewegung, ein interessantes Thema. Wir wollten uns solche Rohdiamanten zeigen und schauen, wie das resoniert und was es auslöst. Dabei gab es immer einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander. Wir wollen uns helfen und nicht kaputt machen, indem wir uns zu Tode kritisieren — das kennt man ja auch.
Es geht um das ganz Rohe. Also darum, dass eine Idee da ist oder etwas, dass man immer schon mal ausprobieren möchte. Es heißt ja auch deswegen "Darlings", da es oft ein Herzensding ist, etwas, das man gerne einmal machen würde oder wozu es erst eine vage Idee gibt. Es gab dort auch, soweit ich mir erinnern kann, viele Dinge, die ganz neu und noch unfertig waren.
Es ist keine Nachwuchsförderung. Es ist egal, wie weit man ist oder wie lange man schon dabei ist. Und ich finde, es tut den Älteren auch gut, sich wieder ein bisschen aufzumachen.
Es ist das Besondere an diesem Format, dass alle Teilnehmenden eben ihre Darlings präsentieren. Dadurch ist es eine extrem wertschätzende, achtsame Atmosphäre. Es ist ja doch etwas sehr Fragiles und sehr Persönliches, man zeigt sich zerbrechlich. Dadurch, dass es jede Person macht, ist es eine sehr wertschätzende Atmosphäre. Das finde ich besonders an diesem Format.
Wie kann man sich ein Share Your Darlings Wochenende vorstellen?
Wir begreifen das als Arbeitswochenende, nicht als Präsentationswochenende. Ursprünglich, wenn wir die volle Zeit hatten, haben wir uns immer am Freitagabend getroffen. Es gab erst eine Lecture, zum Beispiel über Feedback: was ist ein gutes Feedback und so. Und an dem Abend haben wir uns überlegt, in welcher Reihenfolge zeigen wir uns die Darlings. Am nächsten Tag hatte jede und jeder eine halbe Stunde, das war relativ streng. Eine Viertelstunde zeigst du was und eine Viertelstunde wird geredet. Wirklich mit Gong.
Wir haben zu jede*r Künstler*in gesagt, jede*r soll selber definieren, wie man das Feedback braucht. Also wenn jemand Antworten auf eine bestimmte Frage braucht, dann soll man das so halten. Oder wenn jemand möchte, dass das Publikum ohne Worte in einem Tanz wiedergibt, was sie gesehen haben, dann soll man es so halten. Wir haben das nicht definiert, sondern gesagt, denkt genau darüber nach, was ihr für den Prozess brauchen könntet als Feedback in dem Punkt, an dem ihr gerade seid.
Grundsätzlich hat jeder Beitrag fünfzehn Minuten Zeit etwas zu zeigen und dann gibt es fünfzehn Minuten Zeit für Feedback. Wir sind sehr streng, dass das wirklich eingehalten wird. Der Wunsch dahinter ist, dass diejenigen, die etwas zeigen, konkrete Fragen an die anderen haben und so das Feedback ein wenig einschränken oder lenken und spezifizieren, worauf und wofür sie Feedback haben wollen. Das hat auch sehr gut funktioniert.
Es war sehr intensiv, denn wir waren, wenn ich mich nicht irre, etwa acht Stunden am Tag dort. Es war lang, aber es hat sich überhaupt nicht ermüdend angefühlt, weil so viel passierte. Und es gab Diskussionen, die auf die bestmögliche Art etwas hitzig waren, weil man eine Gruppe von Menschen hatte, die sich alle einer bestimmten Kunstform gewidmet haben und ihre Ansichten darüber teilen. Auf diese Art war es wunderbar.
In diesen fünfzehn Minuten hat natürlich nicht jeder die Möglichkeit, etwas zu sagen. Es gibt unterschiedliche Charaktere, manche, die sich öfter zu Wort melden als andere, oder ein Thema wird sehr groß und es bleibt keine Zeit für ein anderes. So kam die Idee auf, dass wir zusätzlich schriftliches Feedback ermöglichen, nicht verpflichtend, sondern freiwillig, und haben das so gelöst, dass wir eine Wäscheleine aufgehängt haben mit Kuverts und die Namen drauf. Das ganze Wochenende über konnte jeder da kleine Feedbacks reingeben oder Briefe jeglicher Art. Das kann schön sein, wenn man das nach Hause mitnimmt und nochmal diese kurze Wortmeldungen hat.
Wir hatten immer auch Musiker*innen dabei oder Architekt*innen oder bildende Künstler*innen, die aus ganz anderen Bereichen kommen, aber auch einfach über andere Netzwerke, verschiedene Bundesländerorganisationen, mit denen wir kooperiert haben. Es ist sehr interdisziplinär geworden.
Früher war es so, dass jede Künstlerin bzw. jeder Künstler ein Tandem aus dem Ausland oder einem anderen Bundesland eingeladen hat. Da wir aktuell die Kooperation mit Maribor haben, sind unsere Tandems nun automatisch die Künstlerinnen und Künstler aus Maribor.
Es war eine wunderschöne Konstellation, weil die Künstler*innen in Graz alle aus sehr unterschiedlichen Hintergründen kommen. Und dasselbe gilt für die Künstler*innen, die aus Maribor kamen. Es gab auch erfahrenere Künstler*innen und weniger erfahrene Künstler*innen. Und etwas an der Mischung aus all den verschiedenen Perspektiven, Ideen und Meinungen hat eine sehr unterstützende, sehr fruchtbare Umgebung geschaffen für die darstellenden Künste, die so zum Blühen gebracht werden konnten.
Wie war die Erfahrung damit, selbst einen "Darling" zu zeigen?
Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich ganz rohe Skizzen in einem Safe Space hergezeigt habe. Also, einem Safe Space außerhalb meines Projektteams.
Ich habe eine 15-minütige Version meines bereits bestehenden Solos geteilt, das ich im Tanzhaus Graz kreiert habe. Nachdem jeder von uns seinen eigenen Abschnitt gezeigt hatte, hat zunächst jeder Teilnehmer (manchmal gab es Duos oder Trios) mündliches Feedback gegeben. Es war insgesamt sehr, sehr gutes Feedback. Es waren also sehr unmittelbare Reaktionen darauf, was die Leute gerade gesehen hatten, was unglaublich war, denn die Leute haben einfach ihre Ideen in die Luft geworfen. Es war so kreativ und eine Art, frei zu sein: frei von Urteilen, denn es ging rein darum, was ich gerade gesehen hatte und was man vielleicht anders machen könnte, oder was man mit dieser Idee oder jener Idee tun könnte.
Und was ich für mich mitgenommen habe, ist die Art der Feedbackkultur, also wie man Feedback gibt. Das finde ich auch sehr spannend.