Auf Sleepover am Attersee: die Perspektiven 2024

Zum vierzehnten Mal finden dieses Jahr das Festival Perspektiven am Attersee statt. Wir haben mit den Kurator*innen Barbara Gölles und Thomas Kasebacher über das Festival und sein Performanceprogramm gesprochen

(c) Karin Hackl

Über drei Wochen und an vier Wochenenden wird von 13. Juli bis 4. August der oberösterreichische Seeort Attersee im Rahmen des Festivals Perspektiven mit Ausstellungen, Performances, Konzerten, Workshops, Mode, Kino, gemeinschaftlichen Essen und Sleepovers bespielt.  Das Performanceprogramm umfasst Doris Uhlich, Silke Grabinger und die Rabtaldirlndln sowie Christine Gnigler & Laura-Lee Jacobi mit einem Kinderstück.

Kuratiert wird das Festival heuer zum zweiten Mal von Barbara Gölles und Thomas Kasebacher. Wir haben mit ihnen über das Festival und das diesjährige Performanceprogramm gesprochen.

Choreographic Platform Austria

Was ist euer Hintergrund und wie seid ihr zu den Perspektiven gekommen?

Barbara Gölles

Ich bin Modedesignerin, aber immer an der Schnittstelle zu anderen künstlerischen Zugängen und Kurationsweisen. Seit mittlerweile fast zehn Jahren mache ich Bademode. So bin ich zum Festival gekommen, also von der anderen Seite, weil ich mit meinem Label als Ausstellerin dort war. Der Thomas hat mich damals begleitet. Im zweiten Jahr haben wir uns gedacht, das Festival hätte so viel Potential und es passiert so wenig. Wir haben das auch sehr offen und direkt angesprochen. Die, die es damals geleitet haben, haben gesagt, das ist doch gut, wir wollen es sowieso nicht mehr machen. Es kam also ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind. Wir hatten auch zuvor schon die Idee gehabt, ein Festival zu machen, das mehrere Disziplinen vereint. Also haben wir zugesagt.

Thomas Kasebacher

Ich komme aus der Kunst. Ursprünglich habe ich Performances gemacht, in Österreich und auch im Ausland. Teilweise habe ich auch selbst inszeniert. Seit Anfang dieses Jahres bin ich aber nun Dramaturg bei den Festwochen und habe das Künstlerleben somit ein wenig ad acta gelegt. Das Perspektiven-Festival hat auch dabei mitgespielt, dass sich der Fokus verschoben hat, hin zur Idee, etwas zu programmieren, zu gestalten. Meine letzten Arbeiten waren ohnehin schon recht kuratorisch. Und ich habe immer mit andere Leuten zusammengearbeitet. Es war also ein recht vorgezeichneter, sich entwickelnder Weg.

CPA

Das Festival gibt es zum 14. Mal, ihr kuratiert es in diesem Jahr zum zweiten Mal. Was ist der Ursprung der Perspektiven, was ist ihr Grundgedanke?

Thomas Kasebacher

Ursprünglich wurde das Festival 2011 von Edith Maul-Röder gemeinsam mit ihrem Ehemann Franz Maul gegründet. Der Gedanke war die Leerstandsbelebung. Damals gab es noch viel Leerstand, den gibt es auch heute noch, inzwischen ist aber vieles davon privat und nicht available. Edith Maul-Röder hat ursprünglich mit Fotoarbeiten und mit den Schaufenstern gearbeitet. In einem zweiten Schritt gab es dann Künstler*innenresidenzen, die während des Sommers belebt und bespielt worden sind. Daraus hat sich das Festival entwickelt.

Barbara Gölles

2018 haben Lydia Haider und Matthias Göttfert für ein paar Jahre die Intendanz übernommen. Da gab es dann natürlicherweise einen Literatur-Schwerpunkt. Und dann hat es noch zwei Jahre lang vor uns eine Gruppe an Leuten gemacht. Das war während Corona, da war es auch schwer, Dinge zu machen.

Thomas Kasebacher

Wir machen es nun neben unseren beiden Jobs uns stecken natürlich sehr viel Zeit hinein, um das Festival zu entwickeln und es wieder besser aufzustellen.

Barbara Gölles

Das ist unser beider Wesen: wenn man etwas macht, dann macht man es gescheit, sonst muss man es gar nicht machen. Wir wollen halt viel. Und deshalb ist es auch viel: wir machen alles alleine, angefangen von Programmierung, Texteschreiben, bis hin zu Produktion, Koordination, Transport… Also wirklich fast alles. Es gibt noch eine Grafikerin und eine Person, die die Webseite gefüttert hat.

Thomas Kasebacher

Und ein paar Freiwillige vor Ort, und Techniker*innen. Aber es ist ja auch spannend, wenn man alles macht. Es hilft natürlich auch, dass es das Festival schon seit 14 Jahren gibt. Man muss nicht bei Null anfangen.

CPA

Was ist euer Fazit vom letzten Jahr? Wie funktioniert etwa die lokale Einbindung eines Festivals, dessen Grundgedanke darin lag, Leerstand zu bespielen?

Thomas Kasebacher

Leerstand gibt es ja leider kaum mehr. Uns ist auch dieses Jahr ein Ort, der schon lange bespielt worden ist, weggefallen. Unsere Lösung dafür war es, eine temporäre Struktur zu schaffen, die einen Teil des Festivals sichtbar machen kann und die uns Raum gibt, den wir bespielen können. Die Einbindung in die Bevölkerung ist im letzten Jahr, ich würde sagen, so gut wie möglich gelungen. Generell ist es eine spröde Gegend.

Barbara Gölles

Ich glaube, es gibt beides. Es gibt schon sehr viel Wohlwollende, etwa die Freiwilligen, die wir vor Ort haben. Die sind sehr unterstützend.

Thomas Kasebacher

Was wir aus dem letzten Jahr weiterführen sind die Essen, weil das die Leute auf einen Tisch zusammenbringt. Wir machen das teilweise mit Betrieben, die vor Ort sind. Heuer wird es vier Frühstücke geben. Die sind mit einem Sleepover verbunden, aber nicht notwendigerweise. Die Frühstücke fungieren hoffentlich als ein Ort, zu dem auch die Leute vor Ort kommen und wo sich alles verbindet.

Barbara Gölles

Die Mode ist auch etwas Niederschwelliges, man braucht dafür kein großes Kunstverständnis oder Kulturverständnis. Aber sie kann ein Vehikel sein, um Personen weiterzuführen und ihnen zu erklären, was noch am Festival passiert. Sie kann also ein Opener sein. Wenn wir nur bildende Kunst hätten, wäre es vielleicht manchmal schwierig, einen Zugang zu finden. Uns ist es sehr wichtig, dass wir die Bevölkerung vor Ort nicht ausschließen, sondern ihr im Gegenteil zeigen, dass sie sehr willkommen ist und so eine bewusste Vermischung erzeugen.

CPA

Was sind diese Sleepovers, die ihr erwähnt habt?

Barbara Gölles

Man kann in einer Ausstellung nächtigen und jeweils am Sonntag gibt es von vier unterschiedlichen Köch*innen an vier unterschiedlichen Wochenenden ein Frühstück. Damit gibt es eine Mischung an Gäst*innen, die in der Ausstellung geschlafen haben und den anderen, die hinzukommen. Solche Clashs versuchen wir immer ganz bewusst zu erzeugen.

Thomas Kasebacher

Alles was wir dort machen oder angehen hat irgendwie mit Gastfreundschaft zu tun. Das geht ja nicht anders. Wir kommen dorthin von außerhalb und sind zwar beide vom Land, aus Tirol und der Steiermark, aber eben nicht von dort. Gesehen sind wir, glaube ich, als Wiener*innen. So braucht es in jedem der Projekte dieses Konzept der Gastfreundlichkeit. Das Schlafprojekt etwa ist logischerweise eher für die Leute von außen. Aber auf der anderen Seite soll es nicht abgeschlossen sein und wiederum die Vermischung ermöglichen.

CPA

Wie läuft das Festival im Groben ab?

Barbara Gölles

Es läuft über drei Wochen mit durchlaufendem Programm. Es gibt drei Ausstellungen von drei verschiedenen Künstler*innen an verschiedenen Orten. Dann gibt es den Mode-Kiosk, den wir diesmal als temporäre Struktur aufbauen, die extrem sichtbar ist, inmitten einer Kreuzung. Man kommt daran nicht vorbei. Und es gibt an den Wochenenden Veranstaltungen aus den unterschiedlichsten Disziplinen.

CPA

Was bedeutet das diesjährige Thema “Schlechtwetterprogramm” für euch?

Barbara Gölles

Das hat sich aus einem Wortspiel heraus generiert. Das Festival findet in einer Gegend statt, dem Salzkammergut, wo die Chance auf schlechtes Wetter fifty-fifty ist. Man geht also immer mit schlechtem Wetter um. Und was macht man am Attersee, wenn schlechtes Wetter ist? Es gibt ja recht wenig, hauptsächlich den See. Und das haben wir zum Anlass genommen: auch bei schlechtem Wetter gibt es bei uns Programm. Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Jahren weltweit gesehen schon lange schlechtes Wetter: Klimawandel, gesellschaftliche Umbrüche, Kriege. Und auch hier suchen wir Lösungsansätze für ein Gemeinsames, ein Verbindendes. Das war auch schon letztes Jahr Thema und darauf bauen wir dieses Jahr auf. Es soll auch ein positive Zukunftsvision transportieren. Es bringt ja auch nichts, wenn wir uns alle zurückziehen — gerade in einer solchen Umbruchszeit ist es wichtig, Zusammenhalt zu erzeugen.

CPA

Könnt ihr ein wenig über das diesjährige Performanceprogramm erzählen?

Thomas Kasebacher

Unsere Leitlinien sind auch hier, dass die Dinge an dem Ort auch ankommen müssen. Wir könnten auch jedes Jahr alles ein bisschen raufschrauben in Richtung Provokation und Schock, aber ich glaube, es hat keinen Sinn mit diesen Sachen dort einzufallen. Es geht darum: wie kannst du die Leute abholen und ihnen gleichzeitig Sachen mitgeben, an denen sie dann vielleicht schon dran beißen können oder müssen? Und das kann auf verschiedene Arte geschehen. Wir haben etwa Doris Uhlich. Die ist von dort und ist zwar generall als etwas skandalös verschrien, aber sie ist auch sehr gut darin, die Leute dazu zu bringen, sich damit zu beschäftigen. Dann haben wir die Rabtaldirndln. Deren Arbeiten sind zunächst recht einfach anzuschauen, auf der anderen Seite gibt es aber immer Abgründe, die da mittransportiert werden. Und dann haben wir Silke Grabinger, die ist auch aus Attersee. Ihr Stück funktioniert auf einer ganz anderen Ebene, es ist sehr ästhetisch und hat einen Bruckner-Schwerpunkt und wird auch genau an dem Tag stattfinden, als Bruckner vor 160 Jahren in Attersee war. Das erzählt wiederum eine Geschichte, die dabei helfen kann, die Leute dort hinzuführen.

CPA

Und zusätzlich gibt es auch Workshops?

Thomas Kasebacher

Auch das ist ein Tool, um Leute auf andere Art anzusprechen.

Barbara Gölles

Wir haben drei Workshops mit unterschiedlichen Themen. Bei Natalie Assmann etwas geht es um das Thema Einsamkeit. Es spielt mit den Vorurteilen, wenn man sagt, dass die Leute in der Stadt alle einsam sind und am Land wird das Familienkonstrukt hochgehalten. Die Realität ist aber anders, es gibt auch am Land extrem viele einsame Leute, vor allem auch alte Leute. Und wir versuchen auch diese Schichten hereinzuholen, nicht nur ein junges Publikum.

Thomas Kasebacher

Dann gibt es noch einen Workshop von Doris Uhlich, das ist ein Tanzworkshop. Es gibt einen Workshop von zweien, die dort wohnen, zu Minimal Wellness. Und das Sleepover gehört eigentlich auch zu den Workshopformaten. Es findet immer von Samstag auf Sonntag in einer der drei Ausstellungen statt und wird von verschiedenen Menschen gehostet und geführt, in einer Art Ritual, immer anders. Wir haben die Ausstellungsformate immer schon als durchlässig und performativ empfunden und nicht nur als Raum, in dem Bilder hängen. Das ist auch der große Vorteil performativer Kunst, dass sie schneller begreifbar ist, zumindest schneller accessible ist als eine Ausstellung, mit der du dann selbst umgehen musst.

PERSPEKTIVEN 2024

Die Perspektiven 2024 finden von 13. Juli bis 4. August in Attersee am Attersee statt. Für die meisten Veranstaltungen gilt (bei freiem Eintritt) das Prinzip pay as you wish.

Hier findet sich das volle Programm.