(c) Claudia Steck
(c) Vitalik Sviridenko
Art Walk, (c) Lucilla Patrizi
Art Walk, (c) Lucilla Patrizi
Art Walk, (c) Lucilla Patrizi
(c) Claudia Steck
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem komplex – KULTURMAGAZIN entstanden. Das komplex – KULTURMAGAZIN ist ein gemeinnütziger Kulturverein und eine Plattform mit Fokus auf freie Kunst und Kultur in Innsbruck und Umgebung. Auf komplex-kulturmagazin.com erscheinen laufend kulturjournalistische und künstlerische Beiträge, hinzu kommt eine jährliche künstlerische Printpublikation mit kuratierten Inhalten im Rahmen der partizipativen Ausschreibung komPOST. (Instagram)
Das Interview wurde auf Englisch geführt. Das Original findet sich hier.
ein Beitrag von Brigitte Egger
Eine neue künstlerische Initiative nimmt in der Region Gestalt an: Motion Mode of Dialogue in Tirol. Gegründet Ende 2023, möchte der Verein visuelle und performative Künste zusammenbringen und dabei eine inklusive, kollaborative Gemeinschaft aufbauen. Mit Sitz in Innsbruck wurde diese junge Plattform von der zeitgenössischen Tänzerin und Choreografin Tamara Maksymenko und der visuellen Künstlerin und Pole-Dancerin Lucilla Patrizi gegründet. Ihre Vision? Einen Raum zu schaffen, in dem Kunst sich bewegen kann – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Motion Mode möchte die Grenzen zwischen den Disziplinen der Kunst aufbrechen und Menschen durch Bewegung und verkörperte künstlerische Erfahrung in den Dialog einladen.
Tamara Maksymenko tanzt seit ihrer frühen Kindheit. Mit über 30 Jahren Erfahrung in zeitgenössischem Tanz und Kontaktimprovisation hat sie Workshops und Aufführungen in vielen Ländern rund um den Globus geleitet. Neben ihrer Tanzausbildung studierte sie auch Körpertherapie und Soziologie, was ihre Lehr- und Schaffensweise prägt.
Lucilla Patrizi kommt aus einer anderen Richtung. Mit einem Hintergrund in Biologie und visuellen Künsten ist sie jetzt als Künstlerin, Pole-Dance-Trainerin und Performerin in Innsbruck und Südtirol aktiv. Für sie sind die wissenschaftliche Beobachtungsweise und der künstlerische Ausdruck eng miteinander verbunden. Oft findet sie Inspiration in der Natur – in Flüssen, Wäldern, den Formen und Bewegungen organischer Lebensformen – und nutzt das Zeichnen, um diese Verbindung zu erkunden. „Es geht nicht darum, eine perfekte Zeichnung zu machen“, sagt sie, „sondern vielmehr darum, sie als Mittel zu nutzen, um zu fühlen, zu beobachten, wie eine Art sechster Sinn zu entwickeln.“
Tamaras und Lucillas Wege kreuzten sich in Bewegung: „Wir haben uns zuerst in einem offenen Pole-Dance-Training getroffen“, erinnert sich Lucilla. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Bewegung verwandelte sich schnell in eine Zusammenarbeit, die mit dem digitalen Tanzprojekt Witnessing begann, einer Gruppenausstellung, die Tamara während der Pandemie kuratierte. Weitere gemeinsame Projekte folgten – darunter die Organisation des Solo & CI Festivals Tirol, das Tamara 2019 gründete und das nun unter dem Dach ihres Vereins stattfindet. „Es gab immer den Wunsch, künstlerische Elemente in das Festivalprogramm einzubeziehen, und dafür mussten wir Fördermittel beantragen. Es war nicht so einfach, dies als einzelne freischaffende Künstler zu tun. Jetzt, als eingetragener Verein, ist alles strukturierter“, erklärt Tamara, „aber der Verein geht nicht nur um einen einfacheren Zugang zu Fördermitteln. Es geht um Gemeinschaft. Um den Aufbau von etwas Stabilem, das lokale Künstler unterstützt und Menschen zusammenbringt.“
Obwohl die Kontaktimprovisation nicht der zentrale und einzige Fokus des Vereins ist, bleibt das jährliche CI-Festival ihre Hauptveranstaltung. Im Laufe der Jahre hat es sich zu einem Zentrum für zeitgenössischen Tanz, Bewegungsforschung, Gemeinschaftsdialog und künstlerische Erkundung in Tirol entwickelt.
Das diesjährige Festival mit dem Titel „Der ganz Anfang“ findet vom 6. bis 14. August 2025 statt. Für diese Ausgabe hat Tamara einen besonderen Gast eingeladen: den CI-Pionier Daniel Lepkoff. Er ist einer der frühen Gründer, die in den 1970er Jahren zusammen mit Steve Paxton und Nancy Stark Smith die Kontaktimprovisation entwickelten. „Jemanden wie Daniel hierher zu bringen“, sagt Tamara, „bedeutet, sich wieder mit der ursprünglichen Idee dessen zu verbinden, was CI am Anfang war. Heute kann es leicht in viele Richtungen gehen und seine sozialpolitischen Wurzeln verlieren.“
Während CI weiterhin ein wichtiger Teil des Netzwerks des Vereins ist, geht es bei Motion Mode nicht nur um eine Praxis. Die Aktivitäten gehen über den Tanz hinaus, kombinieren viele verschiedene Disziplinen und laden unterschiedliche Menschen ein, sich zu beteiligen – über Generationen, Hintergründe und künstlerische Ausdrucksformen hinweg. Von Zeichensitzungen in der Natur bis hin zu öffentlichen skulpturalen Performances – der Fokus bleibt auf Bewegung, Körper und gemeinsamem Ausdruck.
Eine solche Disziplin ist Pole Dance – eine Kunstform, die Lucilla und Tamara beide in ihren Praktiken erkunden und lehren. Für Lucilla dient Pole Dance als Werkzeug für künstlerische Forschung und Geschichtenerzählen. Sie betrachtet es als Teil ihrer zeitgenössischen Kunstpraxis: „Für mich geht es darum, wie der Körper sich mit der Umgebung und mit inneren Bildern wie Emotionen, Träumen und Empfindungen verbindet. Oft ahme ich Äste nach, die ich im Wald finde, oder die Art, wie Insekten sich bewegen, oder wie der Wind mit Pflanzen interagiert.“
Sie erwähnt ihren Hintergrund in Biologie und visuellen Künsten und betrachtet Bewegung als analytisches Werkzeug zur Beobachtung und Forschung. „Es ist wie Klavier spielen“, erklärt sie. „Nachdem du die Technik gelernt hast, hast du eine Partitur von Werkzeugen, um freier zu erkunden und zu improvisieren.“
Tamara, deren Grundlage im zeitgenössischen und Kontakt-Tanz liegt, ist fasziniert von Pole als Kontrapunkt: „In CI versuchen wir, schwer zu sein, wir folgen der Schwerkraft. Im Pole kämpfen wir dagegen, wir wollen leicht sein. Es gibt diese Spannung – Leichtigkeit vs. Schwere – die es für mich interessant macht, zu erkunden.“ Obwohl sie keine formale Pole-Ausbildung hat, ist sie zu einer aktiven Performerin und Lehrerin geworden und schafft eine hybride Praxis zwischen den verschiedenen Ansätzen. „Für mich, die aus dem zeitgenössischen Tanz kommt, spielt es keine Rolle, ob du vollständig bekleidet bist oder nur kurze Hosen und einen Sport-BH trägst, wenn du Pole machst, es gibt eine breite Palette von Möglichkeiten, wie man sich damit bewegen kann.“ Lucilla stimmt zu: „Es ist definitiv eine zeitgenössische Praxis. Wenn du Forschung und künstlerische Absicht hineinlegst, wird der Pole zu einem Werkzeug für den Ausdruck, einem Teil der Erzählung.“
Während Pole Dance im Westen durch amerikanische Striptease der frühen 20. Jahrhunderts weithin anerkannt wurde, ist seine Zukunft vielfältiger. „Wir sehen jetzt auch mehr Männer, die in den Pole Dance einsteigen“, sagt Lucilla. „In Innsbruck ist unser Freund Oleksii Kolbei Pole-Dance-Lehrer, er ist auch in unserem Verein aktiv. Es gibt immer noch ein geschlechtsspezifisches Stigma, besonders hier in der Region, aber es verschiebt sich langsam.“
Die Finanzierung bleibt eine große Herausforderung, insbesondere in diesem Tanzbereich: „Es gibt sehr wenig kulturelle Unterstützung für Pole als Kunstform“, sagt Lucilla. „Wenn es welche gibt, kommen sie tendenziell aus dem Sportsektor. Das macht es schwieriger, experimentellere oder konzeptionelle Projekte zu entwickeln.“ Dennoch bleibt sie entschlossen, die Grenzen zu erweitern: Ihre nächste öffentliche Pole-Performance findet am 31. Mai in Innsbruck in der Die Bäckerei Kulturbackstube statt, im Rahmen eines Mixed-Format-Events mit verschiedenen Solo- und Gruppenaufführungen.
Über die Performance hinaus bringt Lucilla auch ein tiefes Interesse am Zeichnen als Form des Fühlens und der Interaktion mit. Ihre neue Initiative innerhalb des Motion Mode-Vereins sind Kunstspaziergänge, bei denen sie die Teilnehmer einlädt, lokale natürliche Umgebungen durch beobachtendes Zeichnen zu erkunden. „Es ist kein Kunstkurs, in dem du lernst, wie man zeichnet“, klärt sie. „Es ist ein Raum, um deine Sinne zu aktivieren und sie in eine Zeichnung zu verwandeln. Zeichnen wird zu einer Art automatischem Schreiben – scrittura automatica – bei dem die Wahrnehmung durch die Hand fließt, ohne zu viel nachzudenken.“ Mit dieser Reihe möchte sie die Beziehungen der Menschen zu ihrer Umgebung und zu ihren inneren Welten vertiefen.
Tamara hingegen bereitet einen performativen Skulpturen-Spaziergang durch Innsbruck im Juni vor, in Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Künstlerin Judith Klemenc. Das Stück – das sich mit Mutterschaft, Geschlechterrollen und modernem Feminismus auseinandersetzt – wird Glamour und häusliche Lasten gegenüberstellen. „Ich werde in Glitzer und Make-up gekleidet sein, schmutziges Geschirr, eine Waschmaschine und Windeln tragen“, sagt die junge Mutter. „Ich werde eine wandelnde Skulptur, ein lebendes Bild sein, nicht viel sagen, aber Fragen zu unserer zeitgenössischen Situation als Frauen in der Gesellschaft aufwerfen.“
Mit wachsender Aktivität expandiert Motion Mode of Dialogue in Tirol weiterhin. Neben Tamara und Lucilla sollen in Zukunft weitere Künstler und Kollektive einbezogen werden. „Für mich geht es darum, eine Gemeinschaft zu schaffen“, sagt Tamara. „Ein Ort, an dem Tanz und interdisziplinäre Kunst zusammenkommen. Eine Plattform, die anderen Künstlern hilft – ihnen bei der Beantragung von Fördermitteln, der Realisierung ihrer Ideen, dem Vernetzen.“ Lucilla fügt hinzu: „Es geht um Zusammenarbeit, Austausch und gemeinsames Erkunden.“ Was als gemeinsame Praxis zwischen zwei Künstlerinnen begann, wächst nun zu einem lebendigen Netzwerk ständiger Bewegung – von Körpern, Gedanken und Verbindungen.
ist professionelle Tänzerin, Choreografin und Lehrerin für Kontaktimprovisation und zeitgenössischen Tanz seit bereits 18 Jahren. Sie hat zahlreiche Workshops auf der ganzen Welt geleitet (Polen, Spanien, Israel, Österreich, Italien, Griechenland, Finnland, Ägypten, Deutschland, Russland, Ukraine, Marokko, Bulgarien, Schweden, Portugal, Frankreich und Türkei). Sie ist die Gründerin des Motion Mode Dance Theatre (MMDT), eine der Gründerinnen des Motion Mode of Dialogue in Tirol – Verein für visuelle und performative Kunst in Österreich, und die Schöpferin vieler Tanzprojekte.
Sie verfügt über 30 Jahre Tanzerfahrung (seit dem frühen Alter von 4 Jahren). Sie hat eine medizinische Ausbildung in Körpertherapie und Soziologie an der Dnipropetrovsk National University absolviert und im Physical Theatre in Intragna (Schweiz) bei Thomas Mattler trainiert. Derzeit ist Tamara Mitglied der Ukrainian Contemporary Dance Platform Association und Mitglied der OFFTANZ Tirol Association (Österreich)
Sie ist die Gründerin des "Solo & CI Tirol Festivals" und "West meets East".
ist freischaffende Künstlerin, Biologin und Pole-Art-Trainerin, die in Innsbruck, Tirol, lebt. 2021 schloss sie ihr Studium an der Fakultät für Design und Kunst an der Freien Universität Bozen mit dem Schwerpunkt Kunst ab. 2017 erwarb sie ihr Diplom in Biologie an der Freien Universität Innsbruck. 2016 absolvierte sie eine Ausbildung für Bauchtanz in Rom (A.S.C.). Sie befindet sich in fortlaufender Ausbildung und Weiterbildung als Trainerin für Pole Dance.
Lucilla ist aktiv als freischaffende Künstlerin in Tirol und Südtirol tätig und hat Ausstellungen, Performances, Illustrationsaufträge sowie die Mitorganisation kultureller und künstlerischer Projekte auf provinzieller Ebene durchgeführt. Seit 2023 ist sie Mitorganisatorin des jährlichen "Solo and CI Festivals in Tirol". Sie ist Mitgründerin des Vereins "Motion Mode of Dialogue in Tirol - Verein für performative und visuelle Kunst" zusammen mit Tamara Maksymenko.
Seit 2022 ist sie Mitglied der Tiroler Künstler:innenschaft.
geb. 1993, lebt meistens in Tirol. Sie hat die MA Studien Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Innsbruck abgeschlossen und macht derzeit ihren PhD in Ästhetik und Kunstphilosophie. Sie arbeitet freiberuflich als Kuratorin, Kulturarbeiterin und Kulturjournalistin und leitet die gemeinnützigen Kulturvereine komplex-KULTURMAGAZIN und GRUND1535.